Kommentar zur politischen Lage: Radikale Zuversicht. Empowerment für Hoffnung, Engagement und Aktivismus
In all die Krisen, Konflikte und Probleme aktuell – von Ukraine und Nah-Ost Krieg über die Klimakrise und die Hochwasserkatastrophe – reihen sich die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und jetzt in Brandenburg aus zynischer Sichtweise perfekt ein. Die AfD konnte in den Landtagen an Stimmen zunehmen und ist in Thüringen sogar mit großem Abstand die stärkste Partei, in Brandenburg und Sachsen sind sie zweistärkste Kraft. Schlechte oder sogar katastrophale Nachrichten wohin man sieht. Und mit allem werden wir auch noch zu jeder Tages- und Nachtzeit durch Social-Media, den Nachrichten oder durch unser Umfeld direkt konfrontiert, und wir haben so gut wie keine Chance, uns dem zu entziehen. Schnell kann sich dabei ein sogenannter ‚stop and stare effect‘ (zu Deutsch: Stoppen und starren – Effekt) einstellen. Dieser beschreibt eine Art Schockzustand, in welchem wir uns wehrlos und wie gelähmt fühlen und uns ausschließlich auf das negative, auf die aktuelle Krise fokussieren.
Doch genau das wollen wir hier nicht machen. Wir wollen heute nicht über das Schlimme reden, besorgt in die Zukunft gucken und schon gar nicht den X-ten Kommentar über ‚den Osten‘ schreiben. Wir wollen uns dafür vielmehr mit etwas auseinandersetzen, was diesen ‚stop and stare effect‘ entgegenwirkt bzw. das wehrlose Gefühl verschwinden lässt: die radikale Zuversicht.
Der Begriff wird nicht nur aus ökonomischer Sicht für Kapitalismuskritik, einer Muße- und Mitweltgesellschaft und die Umsetzung einer sozial-ökologischen Transformation benutzt, sondern auch von Luisa Neubauer für die Umsetzung von Klimagerechtigkeit und dem Schutz unserer Demokratie geprägt. Sie beschreibt diesen Begriff selbst als keinen Lifestyle oder keine erzwungene Zuversicht, sondern „als einen Akt des Widerstandes in einer Zeit, in der Faschisten auf unseren Zynismus und auf unsere Gleichgültigkeit setzen“ (Neubauer 03.09.2024). Die radikale Zuversicht zeigt den Blick weg von den Krisen dieser Zeit und hin auf viele kleinere Aktionen, Handlungen, Engagements und Geschichten, die trotz allem weiter machen und Widerstand leisten. Radikale Zuversicht soll darauf aufmerksam machen, wie wir uns im kleinen Rahmen engagieren können oder Menschen, welche sich bereits engagieren, unterstützen und diese vielen positiven Geschichten weitererzählen können. Welcher Organisation können wir spenden, welche Menschen in unserem Umfeld braucht gerade Hilfe und Unterstützung und wessen schöne und mutige Geschichte können wir gerade weitererzählen. Denn sieht die aktuelle Lage auch noch so düster aus, ist es wichtig, Hoffnung zu behalten und vor allem Hoffnung zu leben. Hoffnung und Zuversicht passieren nicht einfach zufällig, sondern müssen aktiv gestaltet werden. Statt den großen Hebel vergeblich zu suchen, statt auf den einen großen Moment zu warten, welcher alles wieder gut macht, zeigt die Haltung der radikalen Zuversicht viele kleine Hebel auf, die zum Schluss etwas Großes bewirken können.
Denn eins ist sicher, egal wie viele Krisen wir aktuell durchleben und wie aussichtslos es scheint, Lösungen zu finden: Die Hoffnung auf eine gerechtere, friedlichere und nachhaltige Zukunft aufzugeben darf keine Option sein. Eine radikale Zuversicht zeigt den wichtigen Wert der Gemeinschaft, des Zusammenhalts und der Hoffnung auf, indem sie zu Engagement, Aktivismus und Haltung empowert. Radikale Zuversicht heißt Widerstand.
Julian Böttcher – politischer Bildungsreferent für das Bildungsprojekt „Solidarität entdecken und leben“
Literatur:
Luisa Neubauer (03.09.2024): Eine Ermutigung, über Instagram: https://www.instagram.com/p/C_bE4ouNN9j/