Kleine Erfolge beim Aktionstag für ein Netz ohne Antisemitismus
In der #NetzohneHass Community haben sich über 8500 Menschen verpflichtet, Hass im Netz zu widersprechen, die Angegriffenen zu stärken und Angriffen öffentlich Grenzen zu setzen. Nachdem klar geworden war, dass sich auch der Attentäter von Halle im Netz radikalisiert und den Anschlag fürs Netz inszeniert hatte, organisierten wir aus der Community heraus am letzten Mittwoch einen Aktionstag. Kein deutschsprachiger antisemitischer Hasskommentar sollte an diesem Tag unwidersprochen im Netz stehenbleiben.
Auch wenn wir unser Ziel letztlich nicht erreichen konnten, weil uns sicherlich nicht alle aktuellen Vorfälle gemeldet wurden, ist es uns doch gelungen viele kleine Zeichen zu setzen. Vor allem aber war es für alle Beteiligten eine spannende Gelegenheit sich intensiv mit den verschiedensten Formen antisemitischer Hasskommentare auseinander zu setzen und funktionierende Gegenstrategien zu entwickeln. Denn kaum ein „Hassthema“ ist so vielseitig wie der Antisemitismus. Von den gruseligsten Verschwörungstheorien, über arabisch dominierte Israelfeindlichkeit bis zur Holocaust-Relativierung. Das „Feindbild Jude“ wird von Hass-Gruppierungen fast jeglicher Couleur genutzt.
So trafen wir auf Posts, nach denen die gesamte Politik nur „Marionetten Israels“ wären. Hier hinterfragten wir in Gegenkommentaren nicht nur die simple Rattenfängerbotschaft, sondern auch das Geschäftsmodell des Postenden, einem Versandshop für Aufkleber und andere Propagandamaterialien. Bei einem angeblichen Beleg, dass die „Bilderberger“ schon 2012 den wirtschaftlichen Niedergang (und Flüchtlingswellen) geplant hätten, konnten wir nach kurzer Recherche-Arbeit offensichtliche Schwachstellen des „Belegs“ aufzeigen. Auffallend war dabei, dass die meisten Verbreiter*innen von Verschwörungen täglich 10-30 Posts absetzten und dabei verschiedenste Theorien zu einem großen Wust zusammenmischten. Diskutieren wollte aber niemand.
Etwas interessanter war ein Meme aus dem AFD-Umfeld, in dem aktuelle Anschläge gegen AfD-Büros als Pogrom bezeichnet und mit Bildern aus der Reichspogromnacht verglichen wurden.
Über Facebook lässt sich verfolgen, wer das Meme geteilt hat, so dass wir an insgesamt 15 Stellen agierten, zumeist mit Hinweisen darauf, dass auch wir Gewalt gegen Parteien und Anschläge auf Politiker, wie Walter Lübcke, Henriette Reker ablehnen, aber es trotzdem kein Grund ist, den Holocaust so zu verniedlichen. Auch hier gab es Vielposter und einige eher anonym wirkende Profile, die sich gegenseitig ihre Propaganda-News teilten, aber eben auch „ganz normale Profile“, die vereinzelte politische Posts neben Bildern ihrer Hunde und Familienfeste teilen. Vielleicht konnten wir mit unserer Kritik ja zukünftige Diskussionen im Familienkreis erleichtern.
Noch positiver war die Resonanz beim einzigen arabischstämmigen Post. Auf den Hinweis, dass „Tod, tod für Israel“ doch keine Lösung der Situation in den besetzten Gebieten Palästinas sein könne und „Auch die Menschen in Israel haben ein Recht auf Leben.“ Reagierte der Urheber schnell, mit „Ja, Du hast Recht.“ und forderte stattdessen Frieden für Palästina. So einfach kann digitale Zivilcourage auch sein.
Für mich war das ein idealer Abschluss des Aktionstags und ich habe mich dann lieber meinem Garten gewidmet. So konnte ich auch einige der ekligsten Verschwörungsposts (über den Handel mit Föten) wieder hinter mir lassen und mich stattdessen auf die kleinen Erfolge konzentrieren: Den Austausch und die Solidarität innerhalb der Community und dass uns wirklich für jeden einzelnen Post gute Antworten eingefallen sind, obwohl uns am Anfang häufig die Ideen fehlten und ich an anderen Tagen vielleicht einfach weiter gescrollt hätte.