Wie und wo kann man lernen, andere Menschen vor Gewalt zu schützen? Wie wird frau*man zur “Zivilen Peacekeeper*in? Das waren die Fragen, die uns bei unserem Fachgespräch am 10. Oktober beschäftigt haben.
Beim Zivilen Peacekeeping geht es um den Verhinderung von Gewalt in Konfliktsituationen durch die Präsenz von Friedensfachkräften oder Freiwilligen, die vor Ort sind und sich aktiv einmischen. Zu den Organisationen, die in diesem Feld tätig sind, gehören u.a. Nonviolent Peaceforce, Peace Brigades International, das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel, Christian PeacemakerTeams sowie viele Gruppen, die im eigenen Land vergleichbare Arbeit machen – hier in Deutschland z.B. in der Arbeit in sozialen Brennpunkten oder bei der Bedrohung durch rechtsextreme Mobs.
Es ging darum, uns mit verschiedenen Bildungsformaten zu beschäftigen, in denen Kenntnisse und Fähigkeiten in Zivilem Peacekeeping vermittelt werden. Hierfür haten wir Fachleute eingeladen, die aus unterschiedlichen Kontexten kommen und über ihre Erfahrung in der Friedensbildung sprechen konnten:
Dr. Cécile Dubernet von der Kath. Hochschule Paris ist Hochschullehrerin und ist in Ausbildungen für Ziviles Peacekeeping in Kooperation mit Nonviolent Peaceforce in Frankreich involviert.
Joana Kathe arbeitet mit Peace Brigades International, die sich auf die Schutzbegleitung von Menschenrechtsverteidiger*innen spezialisiert haben.
Am Nachmittag tauschten sich drei Expert*innen in einem Panel aus. Jochen Neumann von der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion „Kurve Wustrow“ vertrat eine Einrichtung in Deutschland, die u.a. Friedensfachkräftefür den Zivilen Friedensdienst ausbildet. Dr. Gregor Hofmann und Oberkirchenrätin Karen Hinrichs kommen aus dem universitären Friedensforschungs-Bereich in Frankfurt bzw. Freiburg. Es wurden etliche Vorschläge entwickelt, wie Qualifizierung in Zivilem Peacekeeping ein größeres Gewicht in Deutschland bekommenn könnte.
Fand statt im Rahmen des Projekts Share Peace, gefördert durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW
Doku: Qualifizierung im Zivilen Peacekeeping
In dem Fachgespräch wurde deutlich, dass Arbeit im Zivilen Peacekeeping viele unterschiedliche Kompetenzen erfordert, von denen viele eher „weiche“ oder soziale Kompetenzen sind – Stressresilienz, Fähigkeit zu Beziehungsaufbau, interkulturelle Fähigkeiten und – zu einem viel größeren Maße als bei anderer internationaler Arbeit im Feld der Konfliktbearbeitung – die Bereitschaft, sich zurückzunehmen und den begleiteten Partner*innen die Führung zu überlassen.
Es entstand in dem Gespräch ein Bild von Qualifizierung für diese Arbeit als ein Stufenprozess: Am Anfang kann eine Grundausbildung stehen, wie sie in Deutschland von verschiedenen Trägern geleistet wird, z.B. der Bildungs- und Begegnungsstätte Kurve Wustrow oder der Akademie für Konflikttransformation vom forumzfd. Diese Grundausbildung ist für alle Aufgabenbereiche gleich, egal, ob jemand später mit dem Zivilen Friedensdienst ins Ausland geht oder mit pbi oder Nonviolent Peacefoce. Für Ziviles Peacekeeping braucht es darüber hinaus bestimmte Spezialisierungen, die in zusätzlichen Kursen und Trainings erworben werden können. Ein drittes, unverzichtbares, Element ist die trägerspezifische Vorbereitung, in der Freiwillige und Personal auf Mandat, Philosophie, Sicherheitsregeln und Teamarbeit vorbereitet werden. Anstelle der ersten beiden Schritte können oft auch andere Formen der Qualifizierung stehen – vom Studium einschlägiger Studienfächer bis zu beruflichen Erfahrungen im sozialen Feld.
Was Hochschulen betrifft: In Frankreich gelungen, einen Ausbildungskurs mit staatlich anerkanntem Zertifikat zu schaffen. In Leeds gibt es einen Kurs über „Schutz“. In Deutschland wird oftmal ein Praxisbezug in den Friedens- und Konfliktstudien beklagt. Etwas Ähnliches wie in Frankreich in Deutschland zu etablieren, würde erfordern, die Kooperation von Professor*innen zu finden und sich schrittweise, vielleicht über einzelne Kurse im Rahmen des Studiums, in diese Richtung zu bewegen.
Es wurde sich auch über die Frage der Wirksamkeit von Zivilem Peacekeeping ausgetauscht. Dabei wurde festgestellt: Wissenschaftliche Beschäftigung mit ZPK steht ganz am Anfang. Die große Herausforderung ist: Wie die Wirksamkeit von Prävention, von etwas, das nicht passiert, beweisen? Es wurden mehr systematische und vergleichende Studien gefordert.
DIe Dokumentation des Fachgesprächs vom 20. Oktober 2020 in Bonn ist fertig und kann hier heruntergeladen werden. Die Printfassung kann für 3,50 (plus Porto) in unserem Shop bestellt werden.
Eine englische Übersetzung steht ebenfalls bereit, allerdings nur zum Download, nicht als Print.