Friedensbildung in Zeiten von Corona
Ende des Jahres geht das Projekt Share Peace: Frieden vervielfältigen zu Ende. Ziel war, jenseits von Einzelveranstaltungen Themen der Zivilen Konfliktbearbeitung und der Friedensarbeit an die Öffentlichkeit zu bringen, zu einer Auseinandersetzung anzuregen. Der Schlüssel war für uns die Arbeit mit Multiplikator*innen der politischen und Bildungsarbeit. Wenn wir Menschen fortbilden, selbst Veranstaltungen zu Konfliktbearbeitung anzubieten, können wir letztlich viele Menschen erreichen.
Inhaltlich verknüpften wir Konfliktbearbeitung mit weiteren Themen nachhaltiger Entwicklung. Wie hängt der Klimanotstand mit sozialen Konflikten zusammen? Ist er Verursacher von Konflikten? Führen Konflikte zu höheren Emissionen? Bei unserer Tagung „Kein Frieden mit dem Klimawandel“ im Frühjahr suchten wir nach Antworten. In Zusammenarbeit mit Protection International und mit Rückgriff auf Erkenntnisse von Nonviolent Peaceforce entwickelten wir außerdem ein Bildungskonzept zur Frage, wie sich Umwelt- und Klimaaktivist*innen vor gewaltsamen Übergriffen schützen können.
Die Verknüpfung dieser Themen führte zu spannenden Gesprächen und Veranstaltungen mit Menschen aus Initiativen und Organisationen außerhalb der Friedensszene.
Kurz nach Anlaufen des Projekts kam es auch schon wieder zum Stillstand. Wie bilden wir Menschen fort, wenn wir uns nicht in Seminarräumen treffen können? Corona gab Anstoß zu neuen Formaten. Mit einer Webseminarreihe konnten wir im Frühjahr/Sommer 2020 ein breites Publikum für Themen der Konfliktbearbeitung gewinnen. Herzstück des Projekts wurde aber der Grundkurs Zivile Konfliktbearbeitung, der auch nach Ablauf des Projekts online absolviert werden kann. Mehr als 500 Menschen arbeiteten sich durch die zehn Einheiten des Grundkurses zu Themen wie Konfliktverständnis, Gewaltfreiheit oder Peacebuilding. Auch die Vertiefungseinheiten wurden positiv aufgenommen. Um ein Zertifikat zu erhalten, beschäftigten sich Teilnehmende außerdem in Online-Workshops mit Konfliktanalyse und dem do-no-harm-Ansatz.
Mit dem Zuschnitt auf Nordrhein-Westfalen ermöglichte das Projekt ein stark vernetztes Arbeiten und neue Kooperationen. Im Rahmen des Projekts wurden mehrere große Veranstaltungen zusammen mit Kooperationspartnern des Netzwerks Friedensbildung NRW angeboten, wie der Fachtag Frieden und Nachhaltige Entwicklung im Oktober 2020. Über konkrete Veranstaltungen hinaus ermöglichte die Projektfinanzierung die Koordination des Netzwerks mit dem Arbeitsschwerpunkt einer strukturellen Verankerung von Friedensbildung in NRW. So fanden mehrere Treffen mit Vertreter*innen (oder war das bewusst nicht gegendert?) des Schulministeriums statt. Auch wurden politische Forderungen mit Blick auf die Landtagswahlen entwickelt, die unter anderem eine Servicestelle Friedensbildung für NRW und eine Professur für Friedenspädagogik beinhalten. Die Digitalisierung hat zu einer engeren Zusammenarbeit geführt, da online-Treffen einfacher zu organisieren und durchzuführen waren.
Auch mit dem Friedenshaus IBZ in Bielefeld entstand eine fruchtbare Kooperation, z.B. ein Empowerment-Workshop für Menschen mit Rassismuserfahrung und eine Fortbildung für das Planspiel „Participa City“ zu anti-muslimischem Rassismus.
Mit den neuen Formaten konnten wir Zielgruppen ansprechen, die wir sonst nicht erreicht hätten. Menschen konnten unabhängig von ihrem Wohnort an Veranstaltungen teilnehmen. Auch Eltern junger Kinder konnten verstärkt teilnehmen. Außerdem erlaubte die Digitalisierung, internationale Gäste zu Veranstaltungen einzuladen. So z.B. bei Webseminaren zu Gold und Konflikten in der Sahel-Region mit der Friedensfachkraft Emmanuel Noglo oder zu Konflikttextilien als Möglichkeit von politischem Widerstand mit Roberta Bacic.
Mit dem Auslaufen des Projekts Share Peace verabschiede ich mich aus der hauptamtlichen Mitarbeit beim BSV. Ich ziehe zurück nach Leipzig. Meine Prioritäten im friedenspolitischen Engagement sind die Arbeit im Beratungskollektiv KonTra.Punkt und bei EIRENE. Dem BSV bleibe ich als Mitglied und Trainer bei Love Storm erhalten. Wie es mit der Friedensbildung beim BSV weitergeht, ist noch nicht abschließend geklärt. Mehrere spannende Projektideen warten allerdings auf die Umsetzung.
Text: Krischan Oberle, Bildungsreferent und Zuständiger für Share Peace.